Nachruf auf Angelika Barth
© Text und Bilder: Inge Braune (FN vom 26.3.2020)
Sie war bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. 1966 kam die aus dem Stuttgarter Bildungsbürgertum stammende Kunstlehrerin als Studienassessorin ans damalige Weikersheimer Progymnasium. Vorausgegangen waren eine Ausbildung an der Kunstakademie in Stuttgart, das altphilologische Studium in Berlin, ein zweijähriger, durch ein Stipendium ermöglichter Studienaufenthalt in Griechenland und das Referendariat in Esslingen.
Ihre Kunsterzieherin erlebten die Schülerinnen und Schüler als Lehrerin auf Augenhöhe, der es gelang, eine kreative Werkstattatmosphäre zu schaffen. Schier endlos, so berichtete Angelika Barth 2014 Parteifreundin Anja Lotz in einem Interview für die Mitte der 70er Jahre von ihr mitinitiierte Weikersheimer SPD-Zeitschrift „Häcker“, sei ihre Neugier und ihr Interesse für die so unterschiedlichen Schülerpersönlichkeiten gewesen. Etliche pflegten über Jahrzehnte den Kontakt weiter. Mit Schulprojekten wie dem „Landmaschinen-Ding“, bei dem aus ausgedienten Geräten große Metllskulpturen entstehen sollten, oder der „AG Hausrenovierung“, die die Rettung eines uralten Weikersheimer Wohnhauses ermöglichte, eckte sie durchaus auch an. Und hinterließ Spuren: mancher fand auch durch sie zum künstlerischen oder pädagogischen Beruf.
Zur SPD stieß sie über die örtliche Juso-Arbeitsgruppe, die Underground-Filme zeigte, Diskussionsrunden und Vorträge anbot. Die AG gehört zum Wurzelwerk des 1971 von Angelika Barth als Verein mitgegründeten Weikersheimer Clubs W71, dessen erste Vorsitzende sie wurde. „Gar nicht hoch genug einschätzen“ könne man die kulturelle Pionierarbeit, die sie hier für Weikersheim geleistet habe, so Nobert Bach, einer der späteren Vorsitzenden des Vereins.
Zwei Jahre zuvor war sie der SPD beigetreten. Von ihrem Engagement auch in Wahlkampfzeiten profitierte zuerst Hans-Martin Simpfendörfer, der die Kollegin am Gymnasium vom Parteibeitritt überzeugt hatte. Noch als fast 80jährige engagierte Angelika Barth sich für die Creglinger Kreisrätin Ute Schindler-Neidlein im Landtagswahlkampf.
„Gar nicht hoch genug einschätzen“ könne man die kulturelle Pionierarbeit, die sie für Weikersheim geleistet habe.
Die würdigt die Verstorbene als hochpolitischen Menschen: „Politik war ihr Leben“, berichtet Schindler-Neidlein über die Genossin, die zum Vorbild und zur Freundin wurde. Alles habe sie gründlich hinterfragt, auch die eigene Partei, und als Kreisrätin – Barth rückte 1975 für Alois Lang für die laufende Amtsperiode in das Kreisgremium nach – die Frauenpolitik im Main-Tauber-Kreis vorangetrieben. Nicht nur dort: auch im Umfeld des Arbeitskreises sozialdemokratischer Frauen und der Frauenbrücke Ost-West war sie zu finden. Als Beisitzerin war sie Mitglied im Landesvorstand der SPD-AG „60plus“.
Im kleinen Nonprofit-Antiquariat „Walfisch“, mehrere Jahre zugleich Treffpunkt des SPD-Ortsvereins, dem sie etliche Jahre vorstand, führte Angelika Barth eine Art literarisch-politischen Salon. Literaturfreunde, Künstler, in verschiedensten Bereichen engagierte Bürger fanden hier ein offenes Ohr. Den Maler und Grafiker Michael Blümel ermutigte sie zu mit der Literatur verbundenen Kunstprojekte. An den „Büchersamstagen“ im Walfisch sei er auch bei ihr „in die Schule gegangen.“ – „Werde mir bloß keine Heilige“, ruft er ihr nach. Der offene Begegnungsort von Parteifreunden, künstlerisch und literarisch Interessierten und Bürgern aller Altersstufen wurde zur Ideenbrutstätte, aus der unter anderem der Rot-Grüne Stammtisch hervorging.
Literaturfreunde, Künstler, in verschiedensten Bereichen engagierte Bürger fanden im „Walfisch“ ein offenes Ohr.
Weikersheims Bürgermeister Klaus Kornberger würdigt die ehemalige Gemeinderätin (1975 bis 1984 und 2009 bis 2014), die im Interview mit Anja Lotz von sich sagte „Ich bin Sand im Getriebe“, als prinzipienstarke, mutige und streitbare, dabei aber immer auf gemeinsame Lösungssuche am runden Tisch bedachte Kommunalpolitikerin, die auch den Dissens zur eigenen Fraktion nicht scheute. Unter anderem habe sie zum Bau der dreifach teilbaren Großsporthalle beigetragen, sich für Kinderbetreuung und den UHU-Seniorentreff stark gemacht und sich konstruktiv und meinungsstark an Klausurtagungen und Bürgerkongressen beteiligt.
„Ich bin Sand im Getriebe.“
Persönliches Engagement bewies Angelika Barth auch für die Asylbewerber, die in Weikersheim aufgenommen wurden. So nahm sie einen jungen afghanischen Flüchtling als „Wahlenkel aus der Ferne“ unter ihre Fittiche. Der zum Vertrauten gewordene Wahlenkel trauert: Jetzt, nach dem Tod der Förderin, fühle er sich wirklich als Flüchtling.
Meine Frau und ich kannten Angelika Barth als hochgebildete Kulturvermittlerin in einer kleinen Stadt. Was mir in dem facettenreichen Nachruf ein wenig zu kurz kommt, ist ihr Engagement für den Denkmalschutz in Weikersheim und die damals wirklich innovative Idee des Tausch- und Geschenk-Antiquariats. Dass sie sich in der sehr respektablen Nachfolge zu ihrer als Malerin durchaus noch nicht adäquat anerkannten Großmutter Käte Schaller-Herlin sah, glaube ich sagen zu können. Leider hat sie ihr eigenes künstlerisches Werk kaum offenbart.
Wie wäre es mit einer Angelika-Barth-Straße in Weikersheim? (Jetzt höre ich Ihr Lachen.)