Wem gehört das Land?

Ist die Landkonzentration eine Bedrohung für bäuerliche Betriebe?

EU-Abgeordnete Maria Noichl zu Gast in Crailsheim
Noichl
Maria Noichl und Ute Schindler-Neidlein (links)

Tatsache ist, dass immer weniger immer mehr Land besitzen. In Europa halten nach den letzten Zahlen nur 2,7 % der Betriebe über die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche im Eigentum. Dieser Durchschnittswert kommt durch Extremwerte zustande, denn in Rumänien hält weniger als eine halbes Prozent der Betriebe die Hälfte der Fläche. In Bulgarien befinden sich 82,54% der Fläche in 1,5 % der landwirtschaftlichen Unternehmen. Doch auch in Deutschland ist die Problemstellung nicht unbekannt, denn hier nimmt der Umfang und die Geschwindigkeit der Landkonzentration auf alarmierende Weise zu. Auch die Konzentration von Geld, Medien, Daten, Saatgut und Wasser wächst in Europa seit dem Krieg so rasant wie ein Krebsgeschwür.

Zur Information und Diskussion über die Zukunftsfrage, Landkonzentration, hatten gemeinsam der Arbeitskreis Internationale Landwirtschaft und der Bezirksarbeitskreis Crailsheim im Evangelischen Bauernwerk zusammen mit den SPD Kreisverbänden Hohenlohe, Main-Tauber und Schwäbisch Hall eingeladen. Auf dem Pferdehof Rößle in Crailsheim-Saurach konnte Wilfried Häfele der Geschäftsführer des Evangelischen Bauernwerks viele Gäste begrüßen. Maria Noichl ist Europaabgeordnete aus Bayern und hat dort einen Bericht durchgesetzt, der das Ausmaß und die Folgen der Landkonzentration aufzeigt.

„Themen wie Land Grabbing und Landkonzentration werden lange mit den Ländern des Südens der Erde verbunden, dies ist jedoch auch ein hochaktuelles europäisches Thema“ betonte die gelernte Hauswirtschaftsmeisterin Noichl.„ Der Konzentrationsgrad von Ackerland in Europa ähnelt inzwischen der ungleichen Verteilung von Landbesitz von Ländern wie beispielsweise Brasilien, Kolumbien und den Philippinen“ informierte sie. Agrarland sei jedoch keine normale Handelsware, denn Boden sei nicht vermehrbar und der Zugang dazu ist für die Verwirklichung einer Reihe von Menschenrechten unerlässlich. Die Konzentration von Agrarland in den Händen weniger Akteure sei mit tiefgreifenden sozialen, kulturellen, ökonomischen und politischen Auswirkungen in allen EU-Mitgliedsländern verbunden. Genauso wie die Konzentration von Geldvermögen werde dadurch die Gesellschaft gespalten, der ländliche Raum destabilisiert und die Ernährungssicherheit und das ökologische Gleichgewicht gefährdet. Die hohen Kauf- und Pachtpreise von landwirtschaftlichen Flächen bedrohten auch zukunftsfähige Betriebe. Die Gründe für die Landkonzentration seien vielfältig. „ Der Erwerb von Land wegen der steigenden Nachfrage nach Lebens- und Futtermitteln, nachwachsenden Rohstoffen für die Treibstoff-, die Chemie-, und die Textilindustrie sowie nicht fossilen Energieträgern gehöre aktuell zu den sichersten und besten Anlage- und Gewinnmöglichkeiten für Investoren aus der ganzen Welt“ informierte Maria Noichl.

Die hohen Kauf- und Pachtpreise bedrohten auch zukunftsfähige Betriebe.

Die fortdauernde Niedrigzinsphase sei mit eine wesentliche Ursache und ein Brandbeschleuniger für die Flucht in Sachwerte. In den neuen Bundesländern zum Beispiel seien große Flächen im Eigentum von Kapitalgesellschaften. Neben der Landkonzentration bedrohe auch die außerlandwirtschaftliche Nutzung in Form von Versiegelung, Urbanisierung, Tourismus und Infrastrukturprojekten das Agrarland. Bei dieser Versammlung in der Scheune des Pferdehofes war nicht nur Pferdegewieher, sondern auch der Lärm der nahen Autobahn zu hören. Diese hochbelastete West-Oststrecke wird um eine dritte Fahrbahn auf bestem Ackerland erweitert, damit gehen hunderte von Hektaren verloren und steigen die Kaufpreise für Ackerland für aufstockungsbedürftige Landwirte ins Unermessliche. Die Verkäufer des Ackerlands legen aus steuerlichen Gründen wieder ihr Geld in Ackerland an und beschleunigen so die Preisrallye. Noichl sieht die Ursache der Landkonzentration auch in manchen Politikbereichen und in den Subventionen der EU. Flächengebundene Direktzahlungen führten beispielsweise zu einer einseitigen Förderung der größeren Betriebe. Daher müsse das System der Direktzahlungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 reformiert werden, um diesen Missstand zu beheben. Noichl strebt dabei ein System an, in dem die biologische, nachhaltige und bäuerliche Bewirtschaftung bevorzugt wird.

Flächengebundene Direktzahlungen führten zu einer einseitigen Förderung der größeren Betriebe.

Viele Mitgliedsstaaten hätten das Problem erkannt und versuchten mit Gesetzen dem Trend zur Landkonzentration in ausländischen Händen oder Kapitalgesellschaften entgegenzuwirken. Hierbei entstehe häufig ein Konflikt mit einer der vier europäischen Grundfreiheiten: dem freien Kapitalverkehr. Ein Ansatz, welcher der Landkonzentration begegnen und Junglandwirten die Betriebsgründung ermöglichen soll, werde in Frankreich beschritten. Dort werde bestimmten Kategorien von Beteiligten ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Ein zukunftsfähiger Agrarsektor sei in besonderer Weise auf den Zugang zu Agrarland durch junge Menschen angewiesen. Deren Innovations- und Investitionsbereitschaft sei entscheidend für die Zukunft ländlicher Räume. Nur so könne die Überalterung in der Landwirtschaft gestoppt und die Hofnachfolge und das Ziel einer multifunktionalen Landwirtschaft mit eigentümergeführten Familien- und Genossenschaftsbetrieben gesichert werden. In der von Peter Heffner (AKIL) moderierten Diskussion berichteten Landwirte, dass viele Höfe bereits im Eigentum von Banken seien, auch wenn diese Flächen noch von den einstigen Besitzern bewirtschaftet würden. Beklagt wurden auch die Möglichkeiten, die Zahlung der Grunderwerbssteuer zu vermeiden, und die Schlupflöcher beim Grundstückverkehrsgesetz.

Bericht: Tillmann Zeller

 

1 Kommentar

  1. Wem gehört das Land und ist die Landkonzentration eine Bedrohung für bäuerliche Betriebe ? Tatsache ist, dass immer weniger immer mehr Land besitzen. In Europa halten nach den letzten Zahlen nur 2,7 % der Betriebe über die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche im Eigentum. Dieser Durchschnittswert kommt durch Extremwerte zustande, denn in Rumänien hält weniger als eine halbes Prozent der Betriebe die Hälfte der Fläche. In Bulgarien befinden sich 82,54% der Fläche in 1,5 % der landwirtschaftlichen Unternehmen. Doch auch in Deutschland ist die Problemstellung nicht unbekannt, denn hier nimmt der Umfang und die Geschwindigkeit der Landkonzentration auf alarmierende Weise zu. Auch die Konzentration von Geld, Medien, Daten, Saatgut und Wasser wächst in Europa seit dem Krieg so rasant wie ein Krebsgeschwür.

    Zur Information und Diskussion über die Zukunftsfrage, Landkonzentration, hatten gemeinsam der Arbeitskreis Internationale Landwirtschaft und der Bezirksarbeitskreis Crailsheim im Evangelischen Bauernwerk zusammen mit den SPD Kreisverbänden Hohenlohe, Main-Tauber und Schwäbisch Hall eingeladen. Auf dem Pferdehof Rößle in Crailsheim-Saurach konnte Wilfried Häfele der Geschäftsführer des Evangelischen Bauernwerks viele Gäste begrüßen. Maria Noichl ist Europaabgeordnete aus Bayern und hat dort einen Bericht durchgesetzt, der das Ausmaß und die Folgen der Landkonzentration aufzeigt.
    „Themen wie Land Grabbing und Landkonzentration werden lange mit den Ländern des Südens der Erde verbunden, dies ist jedoch auch ein hochaktuelles europäisches Thema“ betonte die gelernte Hauswirtschaftsmeisterin Noichl.„ Der Konzentrationsgrad von Ackerland in Europa ähnelt inzwischen der ungleichen Verteilung von Landbesitz von Ländern wie beispielsweise Brasilien, Kolumbien und den Philippinen“ informierte sie. Agrarland sei jedoch keine normale Handelsware, denn Boden sei nicht vermehrbar und der Zugang dazu ist für die Verwirklichung einer Reihe von Menschenrechten unerlässlich. Die Konzentration von Agrarland in den Händen weniger Akteure sei mit tiefgreifenden sozialen, kulturellen,ökonomischen und politischen Auswirkungen in allen EU-Mitgliedsländern verbunden. Genauso wie die Konzentration von Geldvermögen werde dadurch die Gesellschaft gespalten, der ländliche Raum destabilisiert und die Ernährungssicherheit und das ökologische Gleichgewicht gefährdet. Die hohen Kauf- und Pachtpreise von landwirtschaftlichen Flächen bedrohten auch zukunftsfähige Betriebe. Die Gründe für die Landkonzentration seien vielfältig. „ Der Erwerb von Land wegen der steigenden Nachfrage nach Lebens- und Futtermitteln, nachwachsenden Rohstoffen für die Treibstoff-, die Chemie-, und die Textilindustrie sowie nicht fossilen Energieträgern gehöre aktuell zu den sichersten und besten Anlage- und Gewinnmöglichkeiten für Investoren aus der ganzen Welt“ informierte Maria Noichl. Die fortdauernde Niedrigzinsphase sei mit eine wesentliche Ursache und ein Brandbeschleuniger für die Flucht in Sachwerte. In den neuen Bundesländern zum Beispiel seien große Flächen im Eigentum von Kapitalgesellschaften. Neben der Landkonzentration bedrohe auch die außerlandwirtschaftliche Nutzung in Form von Versiegelung, Urbanisierung, Tourismus und Infrastrukturprojekten das Agrarland.

    Bei dieser Versammlung in der Scheune des Pferdehofes war nicht nur Pferdegewieher, sondern auch der Lärm der nahen Autobahn zu hören. Diese hochbelastete West-Oststrecke wird um eine dritte Fahrbahn auf bestem Ackerland erweitert, damit gehen hunderte von Hektaren verloren und steigen die Kaufpreise für Ackerland für aufstockungsbedürftige Landwirte ins Unermessliche. Die Verkäufer des Ackerlands legen aus steuerlichen Gründen wieder ihr Geld in Ackerland an und beschleunigen so die Preisrallye. Noichl sieht die Ursache der Landkonzentration auch in manchen Politikbereichen und in den Subventionen der EU. Flächengebundene Direktzahlungen führten beispielsweise zu einer einseitigen Förderung der größeren Betriebe. Daher müsse das System der Direktzahlungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 reformiert werden, um diesen Missstand zu beheben.
    Viele Mitgliedsstaaten hätten das Problem erkannt und versuchten mit Gesetzen dem Trend zur Landkonzentation in ausländischen Händen oder Kapitalgesellschaften entgegenzuwirken. Hierbei entstehe häufig ein Konflikt mit einer der vier europäischen Grundfreiheiten: dem freien Kapitalverkehr. Ein Ansatz, welcher der Landkonzentration begegnen und Junglandwirten die Betriebsgründung ermöglichen soll, werde in Frankreich beschritten. Dort werde bestimmten Kategorien von Beteiligten ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Ein zukunftsfähiger Agrarsektor sei in besonderer Weise auf den Zugang zu Agrarland durch junge Menschen angewiesen. Deren Innovations- und Investitionsbereitschaft sei entscheidend für die Zukunft ländlicher Räume. Nur so könne die Überalterung in der Landwirtschaft gestoppt und die Hofnachfolge und das Ziel einer multifunktionalen Landwirtschaft mit eigentümergeführten Familien- und Genossenschaftsbetrieben gesichert werden. In der von Peter Heffner (AKIL) moderierten Diskussion berichteten Landwirte, dass viele Höfe bereits im Eigentum von Banken seien, auch wenn diese Flächen noch von den einstigen Besitzern bewirtschaftet würden. Beklagt wurden auch die Möglichkeiten um die Zahlung der Grunderwerbssteuer zu vermeiden und die Schlupflöcher beim Grundstückverkehrsgesetz.

    Tillmann Zeller

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