Herzlichen Glückwunsch, Ute!

Ute Schindler-Neidlein ist seit Jahrzehnten eine feste Instanz in der Kommunalpolitik Creglingens und des Main-Tauber-Kreises. Viele kennen sie von ihren ehrenamtlichen Tätigkeiten als Gemeinderätin, als Kreisrätin, als unerschrockene Vorsitzende des SPD-Ortsvereins und in vielen anderen Engagements. Als eine von wenigen Frauen hat sie es im Main-Tauber-Kreis zu einer Art kommunalpolitischer Instanz geschafft, die immer bestens vernetzt war, nicht nur in der Kreis- und Landes-SPD, sondern auch in ansonsten sehr männlich geprägten kommunalen Zirkeln.

Am 25. Oktober feiert Ute-Schindler-Neidlein ihren 60. Geburtstag. Der Creglinger Ortsverein gratuliert ihr herzlich, wünscht ihr auch in Zukunft ein gutes Händchen in politischen Dingen, vor allem aber Gesundheit und Glück im Kreise ihrer großen Familie.

Anlässlich ihrer Jubeltages haben wir ihr ein paar Fragen zu ihrem Werdegang gestellt.

Wie bist du in die Politik geraten? Hat deine Familie etwas damit zu tun?

Mein Elternhaus war schon immer ein sehr politischer Ort. Mein Opa hat zwei Kriege erlebt und viel darüber erzählt. Mein Vater wurde am Tag seiner Konfirmation, also mit 14 Jahren, in das Wehrertüchtigungslager nach Heubach berufen.

Sein ältester Bruder kam erst 1948 aus russischer Kriegsgefangenschaft. Das alles hat in meiner Jugend zu kontroversen Diskussionen geführt und mir gezeigt, dass man sich politisch engagieren muss.

Ende der 70er Jahre waren wir dann bei den Demonstrationen „Gegen Atomkraft“ in Gorleben und Grundremmingen. Eigentlich verrückt, wenn man bedenkt, dass damals schon klar war: Wir müssen aus der Atomkraft aussteigen. Dann kam 2002 der Atomausstiegsgesetz (rotgrüne Regierung), anschließend die Laufzeitverlängerung 2010 (schwarz-gelb), dann der erneute Ausstieg nach Fukushima und der Beschluss, schrittweise bis zum Jahr 2022 alle Kernkraftwerke abzuschalten. Aber die Zeit wurde nicht genutzt, die erneuerbaren Energien samt Speichermöglichkeiten soweit zu bringen, dass wir heute unabhängig sein könnten. Die CDU in der Regierung hat das immer zu verhindern gewusst. Seit sie in der Opposition sitzt, macht sie populistisch auf Versäumnisse aufmerksam – wie absurd!

Welche politischen Aufgaben hast du im Lauf der Jahrzehnte übernommen?

Das erste Mal für den Gemeinderat Creglingen habe ich 1994 kandidiert. Interessant, ich habe dann 1999 in der Kandidatenvorstellung in unserer G´werzinsel von Homeoffice-Plätzen geschrieben und der Chance, der starken Abwanderung aus Creglingen entgegenzuwirken. Heute, 23 Jahre später, gibt es diese Arbeitsplätze in den eigenen vier Wänden. Offensichtlich war ich meiner Zeit voraus!

Seit 2001 bin ich Vorsitzende der Creglinger SPD, 2004 zog ich in den Gemeinderat ein. Dort war ich bis 2015 tätig. In den Kreistag wurde ich 2014 gewählt.

Gab es noch ehrenamtliches Engagement außerhalb der SPD und der Gremien?

Da gab und gibt es einiges: Elternvertreterin im Kindergarten, in der Grundschule, im Gymnasium, in der Realschule, Mitarbeiterin in der Cafeteria am Gymnasium Weikersheim und im Arbeitskreis „Jugend und Soziales“, Gründungsmitglied des Creglinger SoFa, Leiterin des Aktionsbüros „Mitmachen-Ehrensache“ für den Main Tauber-Kreis, Verwaltungsrätin der Sparkasse Tauberfranken, Mitglied im „Wegebauverein Oberrimbach“, ehrenamtliche Richterin am Verwaltungsgericht Stuttgart, Landfrauenmitglied.

Meine Güte, da ist ja wirklich etwas zusammengekommen! Für welche großen Themen hast du dich denn in der Gemeinderatsarbeit stark gemacht?

Haushaltspolitische Themen waren mir immer eine Herzensangelegenheit. Bis heute ärgert mich das Gewerbegebiet Äckerbrunnen. Auch wenn die Anrainer anderer Meinung sind; Die Kosten- Nutzenrechnung geht nicht auf.

Sehr froh bin ich, dass, nicht zuletzt dank des großen bürgerschaftlichen Engagements, der „Glaspalast“ an der Herrgottskirche verhindert werden konnte.  Dazu waren mir Themen rund um Jugend und Soziales wichtig. Für die Einführung der Schulsozialarbeit habe ich mich besonders gerne stark gemacht. Zu der damaligen Zeit war das absolut noch keine Selbstverständlichkeit!

Welche Unterschiede siehst du als Aktive zwischen Gemeinderat und Kreistag?

Die Gemeinderatsarbeit ist viel näher am Bürger selbst. Die Auswirkungen der Gemeinderatsentscheidungen sind in der Regel für die Menschen direkt spürbar.

Kreistagsarbeit ist anspruchsvoll, der Haushaltplan des Kreises umfasst mehr als 700 Seiten. Der größte Ausgabenposten ist der Sozialhaushalt. Obwohl vieles nach dem Sozialgesetzbuch geregelt ist, beschließt der Kreistag, wo und in welchem Umfang die Ausgaben getätigt werden.

 Welche Themen haben die Kreistagsarbeit geprägt?

Seit ich im Kreistag bin, haben wir finanziell nur gute Jahre gehabt. Selbst in den Jahren der Flüchtlingskrise 2015/2016 mussten wir durch die Spitzabrechnung durch Bund und Land keine finanziellen Einbußen erleiden.

Freilich war und ist die Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete immer eine sehr große Herausforderung für den Kreis. Besser werden müssen wir noch bei der Integration der Geflüchteten. Denn nur so können wir auch die Chancen nutzen, die solche Krisen mit sich bringen. Unseren Fachkräftemangel werden wir ohne Zuwanderung nicht bewältigen können. Ich wünschte mir, dass wir uns nicht immer selbst im Weg stehen und durch bürokratische Hürden alles verbauen!

Im Bereich Freiwilligkeitsleistung ist meiner Auffassung nach das Kloster Bronnbach das größte Thema der Kreistagsarbeit. Das ist ein kulturelles Erbe, das uns finanziell sehr belastet und im Prinzip ein Fass ohne Boden ist.

Was betrachtest du als deinen größten Erfolg?

Dass ich es schaffe, bei wichtigen Beschlüssen überfraktionell zu arbeiten. Das habe ich bereits im Gemeinderat, aber auch im Kreis so gehalten. Parteipolitik spielt auf der kommunalen Ebene nicht die ausschlaggebende Rolle: Hier geht es um gute Sachpolitik für den Bürger.

Schöne Beispiele sind die Einrichtung der kreisweiten individuellen Familienzentren und die Einführung der Kleinklassen „Soziale Gruppenarbeit“, die durch einen Antrag der SPD- Kreistagsfraktion umgesetzt werden konnte.

Gab es eine besonders bittere Niederlage, die dich bis heute verfolgt?

2011 hatten wir mit der baden-württembergischen Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer die einmalige Chance, in Creglingen eine Gemeinschaftschule mit gymnasialer Oberstufe zu bekommen. Leider hatte der Verwaltungschef damals nicht den Mut, dies umzusetzen. Das ärgert mich bis heute.

Welche persönlichen Stärken haben dir deiner Erfahrung nach in den Ehrenämtern geholfen? Was hast du im Lauf der Jahre dazugelernt?

Persönliche Stärken, die mir geholfen haben, sind, glaube ich, Ausdauer und Beharrlichkeit. Gelernt habe ich, dass man mit Ruhe mehr bewegen kann als mit übertriebenem Aktionismus. Ich halte nicht viel von Dampfgeplaudere und habe gelernt: machen statt reden!

Wie siehst du aktuell Stellung und Einfluss von Frauen in der baden-württembergischen Kommunalpolitik?

Leider immer noch schlecht. Sieht  man sich die Gremien an, sind die Frauen nach wie vor in der Minderzahl. Aber das kann sich halt auch nur ändern, wenn mehr Frauen bereit sind, sich politisch zu engagieren. Meine politische Laufbahn hat gezeigt, dass Frauen ernst genommen werden und sie dieselbe Stellung einnehmen können wie männliche Kollegen, wenn sie es wirklich wollen.

Als Fraktionsvorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion sehe ich mich auf Augenhöhe mit meinen vier männlichen Fraktionsvorsitzenden von CDU, Freie Wählen, Grüne und FDP. Sehr schade, dass dort keine Frau das Amt innehat.

Was wünschst du dir vom nächsten Gemeinderat / Kreisrat?

Zunächst einmal viele gute Kandidaten. Da möchte ich wirklich einen Appell an alle richten: Politik kann nur gestaltet werden, wenn es Menschen gibt, die sich engagieren. Und hier soll auch gesagt sein: Man kann gestalten!

Ich wünsche mir vom nächsten Gemeinderat eine zukunftsorientierte Politik für Creglingen. Aktuell fehlt mir der rote Faden. Wo will Creglingen hin?  Wie sieht unsere Stadt in 10 oder 20 Jahren aus? Dazu braucht es kritische Gemeinderäte, die hinterfragen, Alternativen vorbringen und sachorientiert arbeiten.

Für den Kreistag wünsche ich mir, dass nicht nur Oberbürgermeister und Bürgermeister im Gremium vertreten sind. Es braucht dort dringend auch Input von „normalen“ Menschen aus dem Kreis.

Wie stellst du dir deine persönliche Zukunft vor?

Ich möchte noch ein paar Jahre in meinem Beruf als Rechtliche Betreuerin arbeiten. Diese Tätigkeit füllt mich aus, und ich sehe, dass ich hier Gutes tun kann.

Das Wichtigste aber ist meine Familie. Unsere vier Kinder und fünf Enkelkinder halten mich fit und jung, wenn man das mit 60 Jahren so sagen kann.

Interview: Anne Emmert

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